Umziehen – aber nur digital!

Liebste Menschen,

dank euch (!) und eures wahnwitzigen Feedbacks ergibt sich nun ein ganz klitzekleines Problemchen – und zwar für euch.

Da keine gute Tat folgenlos bleibt – durfte dieses kleine Herzensprojekt von mir kurzerhand Flügel anmontiert bekommen und umziehen, und zwar zu

http://www.stern.de/dasgegenteilvontraurig

Das ist eigentlich ganz schön wunderschön, hat aber den Haken, dass diese Plattform hier – leider für die absehbare Zukunft ungefüttert bleiben wird. Es geht aber, ganz klar, auf der neuen Plattform weiter. Dort können wir gemeinsam noch mehr Menschen erreichen und zeigen, dass wir nicht traurig, und vor allem auch nicht verrückt sind.

Es wäre mir also eine Freude, wenn ihr das Abenteuer, welches dieses Blog für mich ist, mit mir gemeinsam auf der neuen Plattform fortsetztet.

Da ich leider die treuen Seelen von euch, welche diesem Blog “followen”, nicht einfach so “mitnehmen” kann – wofür es höchstwahrscheinlich einen unheimlich cool-technisch klingenden Fachausdruck mit Wortfetzen wie “cross”, “Datenbank” und sowas gibt – würde ich euch bitten, auch unter der neuen Adresse “Ich möchte dem ganzen hier folgen” (oder die Kurzform davon) zu klicken. Ihr werdet dann auch nicht von zwei Seiten zugemüllt – hier wird, vorerst, nichts neues mehr erscheinen.

Also, ihr tollen Menschen: Wir sehen uns auf der anderen Seite! (das wollte ich schon IMMER mal irgendwo schreiben)

Ich freu mich wie irre drauf.

Liebe, Tobi

Schwarzweiß auf Französisch

“Lach doch mal!”
Das ist irrwitziger weise ein Ausspruch, den ich schon lange nicht mehr gehört habe. Ich bin ja nicht per se traurig. Zumindest nicht direkt. Verzwickte Kiste.
Ich kann wenig genießen, ich schätze, das trifft es ganz gut. Und das ist kacke. Ich weiß, dass mir gewisse Dinge Spaß machen sollten – aber aus mir unerfindlichen Gründen ist dem nicht so. Oder: nicht mehr so.
Ich gehe nicht freudlos durchs Leben, darf man jetzt nicht falsch verstehen, ich kann über witzige Dinge lachen wie jeder andere auch. Mein Humor ist also nicht amputiert worden, als meine Hirnchemie beschloss, laut “Arschloch” zu schreien.

Klavierspielende Katzen mit künstlichen Bärten machen mich auf Stunden arbeitsunfähig, da bin ich ziemlich oldschool.

Was hingegen nun so garnicht funktioniert ist das, was man gemeinhin wohl “was unternehmen” nennt. Im Park sitzen, ein paar Bier trinken, mit Leuten quatschen. Gibt mir nix. Früher war das anders. Früher hat mir das Energie gegeben – heute kostet mich das meine letzten Reserven, wenn ich Pech habe.
Viele meiner Alltagserfahrungen lassen sich erstaunlich gut mit Fernsehen gleichsetzen.
Wo viele meiner Mitmenschen knallobunte Fetzästhetik wahrnehmen dürfen, da läuft bei mir das Testbild.

In Schwarzweiß.

Ohne Ton.

Oder auf Französisch.

Mich berührt so ein Tag im Park einfach nicht, wie er das tun sollte. Er gleitet dahin, ich sehe das alles, nehme wahr, bin Teil davon, aber so eine richtige, emotionale Verbindung zu diesem Protagonisten, aus dessen Perspektive ich das Geschehen wahrnehme, die mag sich nicht einstellen.
Es plätschert so dahin.

Aber ich habe keine Lust, darauf angesprochen zu werden. Wenn ich da nicht mitspiele bei diesem Spiel der guten Laune, dann fragt garantiert nach ein paar Minuten irgendein Requisit, warum ich denn so schlechte Laune hätte.
Und bevor ich dann lang und breit erkläre, dass es mir nicht an Laune mangelt, sondern schlicht und ergreifend an emotionaler Beteiligung, dass ich eben nicht “schlecht” gelaunt, sondern irgendwie “garnicht” gelaunt bin, und bis das dann mein Gegenüber verstanden hat – meist ist da die Sonne schon wieder “am untergehen dranne”, wie man dat so sacht hier, bis ich also diesen ganzen Aufwand betreibe – da lächle ich doch lieber, obwohl ich selbst keinen Spaß, aber eben auch keine Traurigkeit in der Sache finden kann.
Vielleicht lächle ich dann nicht, weil ich Spaß habe.
Aber ich lächle, weil ich irgendwie damit umgehen kann, dass mich das nicht so berührt wie meine Mitmenschen.

…kurz außer Haus…

Liebe Menschen.

Ich danke euch. Von Herzen. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass dieser Blog solch eine Resonanz erzeugen könnte. Daher war es vielleicht vom Timing her ungeschickt, ihn zu diesem Zeitpunkt zu starten. Ich bin derzeit auf einer Messe in Freiburg, sitze nun grad nach einem sehr anstrengenden Tag im Hotel und schalte Kommentare frei. Ich würde sehr gerne jedem einzelnen von euch antworten – und das wird passieren. Sobald ich wieder zu Hause bin. Wort drauf.

Bis dahin – bedanke ich mich einfach nochmal. Ihr seid einfach so unfassbar großartig, dass mir die Worte fehlen. Und das heißt leider echt etwas. Wahnsinn seid ihr. Allesamt.

Liebe!

Tobi

Sport hilft. Aber wer hilft Sport?

Ich stelle mir den Wecker, früh, um was geschafft zu bekommen. Bevor ich schlafen gehe muss ich darüber auch des Öfteren mal herzlich lachen. Als Selbstständiger bin ich mein eigener Herr, kann meine Zeit frei einteilen.
Das ist geil.
Und scheiße, wenn man depressiv ist.
Meist entspinnt sich dann ein relativ konsequenzfreier Dialog zwischen dem Wecker und mir, welcher mich für die nächsten Stunden weiterdösen lässt.
Auch das klingt auf den ersten Blick erstmal extrem schnafte, und danach könnte man sich ja eigentlich mal erheben und diesem schönen Job nachgehen, den man sein eigen nennt.
In meinem Kopf allerdings geschieht etwas anderes.
Ich ärgere mich. Ärgere mich über mich selbst, dass ich nicht die Disziplin habe, einfach die Zähne zusammenzubeißen und mich aus dem Bett zu schwingen. An manchen Tagen kann ich das. An vielen eben nicht. Bis hierhin ist das reine Disziplinlosigkeit. Man darf auch Faulheit sagen. Ich bin da nich so.
Was dann allerdings danach einsetzt ist eine bizarre Spirale.
Ich ärgere mich über mein Verhalten. Und dann ärgere ich mich noch etwas mehr über meine Disziplinlosigkeit. Und damit erreiche ich einen recht eigentümlichen Zustand, welcher mich in eine dieser für viele Depressionen typischen lethargischen Zustände schubst, ganz fies von der Seite, und dann habe ich einfach keinen Bock mehr aufzustehen. Bei Kleinkindern nennt man das Trotz. Keine Ahnung, ob es ein erwachsenes Wort dafür gibt. Bestimmt nicht. Na toll. Noch was, was man dringend mal angehen müsste. Stattdessen denkt man sich aber ganz unterschwellig folgendes Gefühl zusammen:

“Ich hab ja ohnehin schon bei dieser Kleinigkeit versagt. Mann is das ätzend. Du bist so ein richtiger Depp, weißt du das eigentlich? Steh doch einfach mal auf. Ja, nee, jetzt muss das auch nich mehr sein, das haste nun schon vergeigt, aber morgen vielleicht nochmal. Lass uns mal bis morgen warten. Das is gut.”

Naja – und dann pimmelt man eben im Bett rum, bis mal das Telefon klingelt. Da geht man dann aber natürlich nicht ran, denn jetzt mit irgendwem zu reden – das ist zu anstrengend. Da will jemand was von einem. Noch mehr, was man dann nicht geschafft bekommt.
Dann aber – muss man ja irgendwann mal zurückrufen, so ein Telefon vergisst sowas ja auch nicht einfach. Das macht ein schlechtes Gewissen, denn es ist etwas, was man noch dringend zu erledigen hätte.

“Zurückrufen. Krasser shit. Unschaffbar.”

Im allerschlimmsten Fall ruft die gleiche Person dann zwei Stunden später nochmal an, man selbst hat das grad schön verdrängt – Bumm – geht man wieder nicht ran – weil man ja schon vorhin hätte rangehen können/müssen, und dann müsste man sich erst eine Ausrede einfallen lassen, warum man vorhin nicht ans Telefon gehen konnte, jetzt aber schon, warum man nicht zurückgerufen hat, etc etc.
Das schlechte Gewissen hat sich verdoppelt, zweimal ignoriert, es wartet ein Gespräch, man müsste zurückrufen. So wird aus einem Telefongespräch (welches sich meist ohnehin nur als “Hey, wie geht´s, alles cool, wollte mal Hallo sagen” entpuppt) ein regelrechter Berg aus zu gleichen Teilen eingebildeter Arbeit und schlechtem Gewissen.

Solche Berge bezwingt jeder normale Mensch mit einem Augenzwinkern.
Für mich können das Tagesaufgaben werden.
Wie ich es dennoch schaffe, regelmäßig genug Geld zu verdienen um nicht zu verhungern – entzieht sich völlig meiner Kenntnis.

Viele behaupten, Sport sei gut gegen diese Lethargie.
Wenn Sport bei mir vorbeischauen würde, unangemeldet, und sich nicht darum scherte, dass meine Wohnung aussieht wie der Vorgarten von Mordor – wäre ich da voll bei.

Das alles hat dann nämlich leider schon längst nichts mehr mit “zusammenreißen” zu tun – über den Punkt bin zumindest ich innerhalb der ersten Minuten dann hinaus.

Ab da läuft ein Programm namens “Schuldgefühle und Lethargie“, welches sich nur schwerlich abbrechen lässt, aber in vollem Bewusstsein der so versickernden Zeit stattfindet.
Lethargie verursacht Schuldgefühle, und diese nun noch mehr Lethargie.
Und das ist nur die Rechnung, die man mit sich ganz allein auszumachen hat.

Wenn dann noch Menschen von außen dazustoßen, vielleicht sogar noch Freunde, und einem den guten Ratschlag geben “sich vielleicht einfach mal zusammenzureißen” – potenzieren sich dieser Ärger über sich selbst, die Schuldgefühle, das Bewusstsein, grad so massiv Zeit zu verschwenden als sähe man sich zum dritten Mal die Ballettinterpretation einer Gebrauchsanleitung für Korkenzieher im Fernsehen an.

So geht ein extrem anstrengender Tag dann auch zu Ende.
Man hat nix geschissen bekommen, aber immerhin ist man sich dessen auf wirklich jeder Ebene vollends bewusst.
Dann stellt man den Wecker früh.
Und dann ist es da – das erste, wirklich herzhafte Lachen des Tages.

P.S. Ja – ich poste dies um kurz nach 8. Ich bin mir der Ironie durchaus bewusst.

Hi, mein Name ist Tobi. Ich bin depressiv.

Tobi

 

Tach. Mein Name ist Tobi. Ich bin depressiv. Und aus Dortmund. Ich hab keine Ahnung, was nun schlimmer ist.

 

Aber – keine Sorge! Dies ist kein Selbsthilfeforum. Soviel vorweg.
Mein Name ist, wie gesagt, Tobi, und ich bin, wie gesagt, depressiv.
So weit waren wir bereits.
“Ich bin auch manchmal traurig” mag da jetzt das eine oder andere Menschlein denken, und genau aus diesem Grund habe ich beschlossen, diesen Blog zu schreiben. Nunja. Fast.
Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand neben einen Querschnittsgelähmten im Rollstuhl kniete, ihm tief in die Augen sah und sagte:

“Komm. Ich sitz auch mal ganz gerne rum. Aber jetzt reiß dich mal zusammen und geh ne Runde um den Block. Was meinste?”

Ja, richtig, schon fast wieder irgendwie witzig, da absurd.
Dennoch bekomme ich häufig solche “Ratschläge” und “Zuwendung”, da ich ja “etwas traurig bin.”

Ich bin nicht traurig. Ich bin depressiv.

Depressionen werden immer noch mit viel zu spitzen Fingern angefasst, immer noch lieber in die Stille der Schande geschoben als sie einfach mal ganz offen als das thematisieren zu können, was sie sind: Eine Krankheit.

Den eigentlichen Anlass, diese ganze Blog-Sache hier anzugehen war der Suizid einer ebenfalls depressiven Freundin an den Weihnachtstagen 2013. Ich mag nun garnicht auf die Tränendrüse drücken, denn das gehört nicht hierher, da zu persönlich. Ich erwähne dies hier, da in mir seither folgende Frage keimt:

Ließe sich so etwas verhindern, auch nur ein einziges Mal, wenn sich Depressionen ein kleines Stück aus der heimlichen Ecke hinausbewegten, in die Anerkennung der breiten Masse als Krankheit und Verletzung, als eben nicht “mimosenhaftigkeit”, sondern auf einer Stufe mit gebrochenen Beinen, Krebs und anderen Dingen, die jedem von uns widerfahren können? Als eine Sache, die man ganz selbstverständlich äußern und dafür lediglich ein informiertes “Ah, okay, dann weiß ich bescheid, wenn du manchmal komisch bist” bekommt statt eines “Aha, soso, nun, ich bin auch manchmal traurig” mit einem still hinterhergedachten “…aber ich stell mich deshalb nich an.”

Genau darum soll es gehen. Ich möchte Depressionen Gesichter geben. Kein Jammerforum.
Einen Ort, an dem “Leute mit” den “Leuten ohne” einfach mal schildern können, wie das ist.
Wir sind nicht “verrückt” oder “etwas falsch im Kopf” oder “halt n bisschen traurig” – sondern haben schlichtweg ne nicht ganz so offensichtliche Krankheit, die Vielen noch recht fremd ist.
Nichts, wofür man sich schämen müsste.
Nichts, was nur hinter vorgehaltener Hand und geflüstert durch die Welt dringen darf.
In diesem Sinne möchte ich dann mal den Anfang machen.

Hi, mein Name ist Tobi. Ich bin depressiv. Aber eben nicht traurig. Dafür aber leider aus Dortmund.